Viele Kinder lernen nicht mehr richtig Rad fahren
Bewegungsmangel: Zahlreiche Grundschüler fallen durch die Radfahrprüfung. Auch überbehütende Eltern tragen eine Mitschuld
Von Jan Ahlers
Düsseldorf/Bielefeld (NW/LZ). Sicher mit dem Fahrrad durch den Verkehr: Was früher schon als Kind selbstverständlich erschien, ist heute für Grundschüler eine echte Herausforderung. Deutlich mehr Schüler fallen durch die Radfahrprüfung, sagt Landesverkehrswachts-Direktor Burkhard Nipper. Experten aus Ostwestfalen-Lippe bestätigen den Trend.
Fünf bis zehn Kinder müssen pro Klasse nach der Prüfung nachgeschult werden. Vor zehn Jahren seien es nur zwei Schüler pro Klasse gewesen, berichtet Nipper. Ursächlich für das unsichere Fahrverhalten, das letztlich zum Durchfallen führt, seien in der Regel mangelnde motorische Fähigkeiten. ,,Das fängt schon im Kindergarten an“, sagt Birgit Baldauf, Geschäftsführerin der Kreisverkehrswacht Lippe. Im Lipperland organisiert die Wacht in Kitas Parcours, die Drei-bis Sechsjährige auf Rollern und Laufrädern abfahren. ,,Schon dabei gibt es teils massive Unsicherheiten“, berichtet Baldauf.
Schuld tragen ihrer Ansicht nach Eltern, die ihre Kinder gar nicht erst mit dem Straßen verkehr vertraut machen. Baldauf meint: ,,Aus Angst davor, dass etwas passieren könnte, werden Kinder heutzutage oft mit dem Auto bis vor die Tür von Kita oder Schule gebracht.“ Dem entgegengewirkt werden soll mit „Elternhaltestellen“, die in einigem Abstand zur Grundschule eingerichtet werden. So sollen Kinder zumindest das letzte Stück des Weges selbst zurücklegen und so wertvolle Erfahrungen sammeln können. Besonders Kinder von Zugewanderten bewegten sich auf Zweirädern unsicher, ergänzt Elmar Spellerberg vom Paderborner Kreisverband des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). ,,Viele wissen aus ihrer Heimat nicht, ein Rad sicher zu steuern.“ Daher bietet der ADFC an den Standorten seiner Radfahrschulen, von denen sich eine in Bielefeld befindet, auch Kurse für Geflüchtete an. Doch es mangelt laut Spellerberg nicht nur am Fahrvermögen. ,,Eine Menge Räder sind nicht fachmännisch gewartet.“ Gerade an den Bremsen gebe es oftmals Nachholbedarf.
Auch das zunehmend technisierte Umfeld spielt eine gewichtige Rolle. Kinder, die viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen, könnten sich wesentlich schlechter koordinieren und konzentrieren, meint Baldauf. ,,Die heute erworbenen Fähigkeiten beschränken sich durch Smartphones mehr und mehr auf die Auge-Hand-Koordination“, bestätigt Christa Kleindienst-Cachay, Professorin an der Universität Bielefeld. ,,Der Rest, vor allem die Körperkoordination, wird dagegen stark vernachlässigt.“
So läuft die „Radfahrausbildung“
- Die Ausbildung hat im Programm vieler Grundschulen ihren Platz.
- Los geht es in den ersten beiden Klassen mit wesentlichen Grundlagen.
- Im 3. und 4. Schuljahr werden Theorie-und Praxisprüfung, oft unterstützt von der Polizei, abgelegt.